Alternative Finanzierungsformen spielen eine immer größere Rolle beim Finanzierungsmix vom Kredit für Unternehmen

Ein schwieriges Marktumfeld hervorgerufen durch die Ukraine-Krise, den Anstieg der Rohstoffpreise, unterbrochene Lieferketten durch Chinas Zero-Covid-Politik und ein unsicheres Zinsumfeld führt zu deutlicher Zurückhaltung bei der Kreditvergabe deutscher Banken zur Finanzierung an Unternehmen.  

Diese aktuelle Lage erschwert es Projektentwicklern sowie kleinen und mittelständischen Unternehmen, ihre Vorhaben über Bankdarlehen zu finanzieren. Dies gilt unabhängig von deren Kreditwürdigkeit. Banken erfordern mehr Sicherheiten oder mehr Eigenkapital, was sich insbesondere in den niedrigeren Loan-to-Values („LTVs“) und Loan-to-Costs („LTCs“) widerspiegelt.

Daher müssen Unternehmen über den klassischen Bankkredit hinaus verstärkt nach Finanzierungsalternativen suchen, insbesondere wenn sie kein zusätzliches Eigenkapital aufbringen möchten oder können. In den vergangenen Jahren haben sich diverse alternative Finanzierungsformen etabliert. Diese sind zwar häufig bekannt, werden jedoch noch zu selten genutzt. Als Beispiel dienen hier insbesondere Mezzanine-Finanzierungen, Private Debt, Venture Debt oder die sogenannte Revenue-Based-Finanzierung. Dadurch vermeiden Unternehmen die Verwässerung der Anteile am Unternehmen und können ohne Fremdeinfluss ihre Unternehmens- oder Projektziele umsetzen.

I 4. Juli 2022 I Lesezeit: 3 min I

Hohe Rohstoffpreise und unterbrochene Lieferketten beeinflussen die Rentabilität deutscher Unternehmen und setzen diese derzeit stark unter Druck

Insbesondere die strikte chinesische Null-Covid-Politik wirkt sich auf die globalen Lieferketten aus. So meldet beispielsweise die Hamburger Hafen und Logistik AG eine Unpünktlichkeitsquote von 99%, was zu Verspätungen bei der Zulieferung an die deutschen Produzenten führt. Viele Container stecken seit Wochen im Hafen fest und können nicht wieder in den Transportkreislauf zurückgeführt werden. Die Gas- und Öl-Knappheit treibt die Energiepreise nach oben, die mit 38,3 % Steigerung gegenüber dem Vorjahresmonat der stärkste Inflationstreiber im Mai sind. Lebensmittel sind bislang im Schnitt durch kriegsbedingte Ernteausfälle besonders durch die Seeblockade Russlands auf landwirtschaftliche Erzeugnisse aus der Ukraine und höhere Energiepreise bereits 11,1 % teurer geworden. Der Dienstleistungssektor ist durch die geringere Rohstoff- und Energieabhängigkeit mit 2,9 % Preisanstieg derzeit weniger betroffen.

Die erhöhten Kosten und Verzögerungen in den Lieferketten führen zu einer höheren Ausfallwahrscheinlichkeit der betroffenen Unternehmen. Am stärksten von den steigenden Preisen beeinflusst sind rohstoffabhängige Unternehmen wie z.B. im Bausektor, die oftmals nicht abgesicherte feste vertragliche Verpflichtungen haben.

Die Zins- und Geldpolitik in der EU verändert sich

Die Deutsche Bundesbank schreibt in ihrem Monatsbericht von Mai 2022, dass die Renditen an den Anleihemärkten angesichts höherer Inflationsraten und -erwartungen seit dem Kriegsbeginn gegen die Ukraine weltweit deutlich anstiegen. Diese Tendenz wird durch die Neuausrichtung der Geldpolitik wichtiger Zentralbanken verstärkt.

Die wichtigsten globalen Zentralbanken haben bereits ihre Zinsen erhöht. Die amerikanische FED hat ihren Leitzinssatz im Juni 2022 um 75 Basispunkte auf 1,5 % bis 1,75 % erhöht. Die Bank of England hat im Juni den Leitzins um 25 Basispunkte auf 1,25 % erhöht. Auch die EZB wird im Juli die Zinsen um 25 Basispunkte anheben. 

Die Kreditvergabe durch Banken ist immer stärker von den Kapital- und Liquiditätsbeschränkungen aufgrund der Basel-III-Anforderungen betroffen

Seit der Finanzkrise haben deutsche Banken mit einem schwachen Wachstum zu kämpfen. Dies ist bedingt durch niedrige Zinsmargen, hohe Fragmentierung des Sektors und anfällige Geschäftsmodelle. Banken müssen ausreichend liquide Mittel vorhalten, was sie daran hindert, einen Kredit an Unternehmen zu vergeben und ihre Fähigkeit einschränkt Risiken einzugehen. Banken sind daher zu einer stärkeren Standardisierung ihrer Produkte gezwungen und können immer weniger auf individuelle Bedürfnisse eingehen. Dies führt auch dazu, LTV- und LTC-Quoten zu minimieren.

Die EZB erwartet, dass die Banken in 2022 mehr Eigenkapital halten werden. So sollen die Kapitalanforderungen und Leitlinien von 14,9 % im Jahr 2021 auf 15,1 % der risikogewichteten Aktiva im Jahr 2022 steigen.

Das bedeutet, es wird für kleine und mittelständische Unternehmen schwieriger sein einen Kredit zu erhalten. Dies ist unabhängig von der Kreditwürdigkeit der Projektfinanzierung oder des Unternehmens.

Unternehmer müssen daher auch bestehende Kredite im Auge behalten, da Unternehmen im Falle des Reißens von Covenants möglicherweise mehr Eigenkapital oder weitere Sicherheiten bereitstellen müssen. Um diese Situationen zu vermeiden, dürften alternative Kreditquellen stärker in den Fokus rücken.

Der Zinsanstieg und die aktuellen makroökonomischen Bedingungen stellen Unternehmen vor Herausforderungen.

Die Kreditrisiken von Unternehmen sind infolge höherer Rohstoffpreise und unterbrochener globaler Lieferketten gestiegen. Als Reaktion werden die Banken künftig die Kreditvergabestandards verschärfen und Kredite vorsichtiger vergeben.

Unternehmen haben in den vergangenen Jahren von günstigen Finanzierungen durch Banken profitiert, was im Zuge der aktuellen Entwicklung immer weniger der Fall sein dürfte. Daher müssen Unternehmen ihre Kapitalstruktur sowie das Portfolio der Kreditgeber überdenken, um sich an diese neue Situation anzupassen.

Unternehmen müssen beim Finanzierungsmix stärker auf alternative Finanzierungen bauen

Unternehmen müssen sich von der traditionellen Denkweise bei der Suche nach Finanzierungen verabschieden, da die Banken ihre Kreditvergabe weiter einschränken. Die makroökonomischen und politischen Unsicherheiten zusammen mit den Maßnahmen der EZB zur Eindämmung der Inflation wirken sich direkt auf die Kreditvergabe der Banken aus. Daher müssen alternative Finanzierungen im Finanzierungsmix eine größere Rolle spielen, da sie nicht nur flexibler einsetzbar sind, sondern auch viel schneller umgesetzt werden können:

  • Erhöhung des Mezzanine-Kapitalanteils bzw. vorrangiges Eigenkapital durch Dritte, um Verwässerungen zu vermeiden oder die Projektfinanzierung sicherzustellen
  • Finanzierung durch Private Debt, die Finanzierungen mit höheren Beleihungsausläufen und individuelleren Covenants
  • Venture Debt zur Finanzierung von hohen Wachstumsraten
  • Convertible Capital und PIPEs. Unternehmen nehmen einen Kredit auf, der in Stammaktien umgewandelt werden kann. Dadurch findet zunächst keine Verwässerung statt.
  • Revenue-Based-Finanzierung: Eignet sich insbesondere für schnell wachsende Unternehmen, die nach einer flexiblen Möglichkeit suchen, ihr Geschäft zu erweitern. Die Rückzahlung basiert sich auf einem vorab vereinbarten Prozentsatz des Umsatzes.

Kontakt

Thomas Roell

Geschäftsführer und CEO

Eddie Eguida

Senior Credit Analyst

+49 69 138 281 40 | mittelstand@pihub-pi.com

Quellen:

https://www.bankingsupervision.europa.eu/press/pr/date/2022/html/ssm.pr220210~6455538b07.en.html

https://www.diw.de/de/diw_01.c.840044.de/publikationen/wochenberichte/2022_17_1/hohe_energiepreise__aermere_haushalte_werden_trotz_entlastungspaketen_staerker_belastet_als_reichere_haushalte.html

https://www.destatis.de/EN/Press/2022/05/PE22_221_611.html

https://www.ecb.europa.eu/pub/financial-stability/fsr/html/ecb.fsr202205~f207f46ea0.en.html

https://www.ecb.europa.eu/press/pr/date/2022/html/ecb.mp220609~122666c272.en.html

Alternative Finanzierungsformen spielen eine immer größere Rolle beim Finanzierungsmix vom Kredit für Unternehmen

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